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Holzfällen

Bekannt ist, dass Karin Frank mit Holz arbeitet. Bekannt ist auch, dass Thomas Bernhard ein Buch mit dem Titel »Holzfällen« verfasst hat. Holz und Holzfällen, eine Nähe, die nicht geplant ist; eine Nähe, die rein zufällig erscheint. Die Verfasstheit der österreichischen Gesellschaft, die sich mit diesem Buch wider willen identifizierte, kann man am besten als fassungslos bezeichnen. Nicht skandalös sind die Themen, die Karin Frank bearbeitet: Es wird geschissen, Berge und Seen von Scheiße, es wird geliebt, gevögelt, Paare treiben es treibend am See, es wird porträtiert. Die Landschaften bleiben davon nicht unberührt: Idyllisch ja, aber beackert, behauen und zu guter letzt bestreut; umgebogen zur Bühne, auf der die Natur des Gesellschaftlichen wiederkehrt. Bernhard hat sich kein Blatt vor den Mund genommen. Die Sprache ist klar, unmissverständlich, manche würden sogar sagen: derb. Holzfällen ist für viele eine Abrechnung, für andere eine bloße Feststellung, eine Darstellung der Verhältnisse. Eine Sachverhaltsdarstellung. Nicht weniger sachverhaltsmäßig erscheinen die Arbeiten von Karin Frank. Ihre Motive, Personen und Szenen nehmen sich die Freiheit, nicht frei erfunden zu sein. Die Realität von Scheiße und einer konsequenterweise beschissenen Realität, die Sprachlichkeit beim Ausdruck und beim Ausdrücken von Scheiße, diese wurstartige Verschwiegenheit als intime Artikulation, sind Sachverhalte. 
Aber über diesen Sachverhalten schwebt eine andere Sprache, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Dinge wie sie sind, zu umschreiben, sie nur anzudeuten: um zu umgehen, worin man gerade steckt und steht. Mit etwas Flexibilität in der Sprache erscheint selbst ein ausgeprägter Sinn für die Männlichkeit bei Männern nicht mehr als Machismo, sondern als der entschuldbare Lausbubenstreich eines in die Jahre gekommenen Jugendlichen. Diese Sprache der Umschreibung und Flexibilität ist ein Instrument für die Flexibilisierung von Sachverhalten. Flexibilisierung als Entschuldigung, Affirmation und Realitätsverweigerung. Gegen diese Sprache arbeiten Bernhard wie Frank. Bernhard fällt Holz mit einer Sprache, die darauf insistiert, nicht zu umschreiben. Frank arbeitet mit Holz so ökonomisch und direkt wie möglich. Manchmal reicht die grobe Form, um den Gegenstand oder die Szene zu fixieren. Ein andermal bedarf es des Details. Dass das Gesicht eines die Welt bescheißenden Mannes gerade jenem von George Bush sehr nahe kommt, ja als dieses identifiziert werden kann, ist das Produkt einer künstlerischen Ökonomie, die sich nur dann zum Detail bekennt, wenn es notwendig ist. Hier wird nicht herumgeredet. Hier wird Holz gefällt und Holz bearbeitet. Der englische Ausdruck dafür, etwas offen auszusprechen, ist »frankly speaking«. Zugegeben: ein unerheblicher Zufall. Karin Frank speaks frankly. 
Mit ihrer Umschreibungsverweigerung, mit ihrer Ökonomie, aus dem flexibilisierbaren Sachverhalt wieder einen Gegenstand der Diskussion zu machen, ja auf die Gegenständlichkeit der Diskussion zu insistieren, liefert Karin Frank ein Argument für die Bildhauerei, die mit ihrer Materialität einen Widerstand gegen die Auflösung von Fakten formuliert. Bildhauerei als Resistenz gegen die Verwandlung von Fakten ins Fabulöse. Fabulös wirkt allein die Dringlichkeit der Sprache, ihr Insistieren aufs Faktische. Hämmert sich Bernhard repetitiv durchs Wortgehölz und lässt damit als Obsession erscheinen, was nur ein Drängen aufs Notwendige meint, so greift Frank selbst in der schnellen Skizze, im Modellieren, im Notieren von Körperlichkeit zu einem Material, das ihr erlaubt, die Ideen im Backrohr zu fixieren: zu brennen, was ihr unter den Fingern brennt. In einer Sprache, die einfach geformt werden kann, und in einem Medium, das ihr erlaubt, sich relativ unabhängig von technischen oder wirtschaftlichen Bedingungen zu artikulieren. Sowenig Karin Frank und Thomas Bernhard etwas miteinander zu tun haben, so sehr ist manchmal der Vergleich die direkteste Form etwas zu sagen, was sonst nur umschrieben werden könnte.
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Andreas Spiegl